Das Nobelkomitee gab bekannt, dass der Physikpreis 2024 an John Hopfield und Geoffrey Hinton für maschinelles Lernen (ML) und künstliche neuronale Netzwerke verliehen wird. Während Computer nicht so denken können wie Menschen, sind Maschinen nun in der Lage, Funktionen wie Gedächtnis und Lernprozesse zu simulieren. Die Physik-Nobelpreisträger 2024 haben diesen Wandel durch die Anwendung grundlegender Konzepte und Methoden aus der Physik ermöglicht.
An der TUM School of Natural Sciences haben wir unsere Professoren gebeten, über die Auswirkungen von maschinellem Lernen, sowie Deep Learning und künstlichen neuronalen Netzwerken auf ihre aktuelle Forschung zu reflektieren.
Maschinen durchforsten, sichten, berechnen und nutzen wissenschaftliche Daten effizienter
In der Forschung produzieren wir zum Teil riesige Mengen an Daten und Informationen, bei denen sehr viel Zeit und fachkundige Begutachtung notwendig ist, um nützliche Rückschlüsse daraus zu ziehen. Der Nobelpreis an Hopfield und Hinton verdeutlicht, dass diese modernen Methoden mittlerweile helfen, riesige Datenmengen aus experimenteller und theoretischer Forschung zu sortieren und analysieren.
„Ich bin überzeugt, dass wir durch die Nutzung von KI bei einigen der anspruchsvollsten physikalischen Fragestellungen gleichzeitig die KI und die Physik voranbringen“, sagt Prof. Lukas Heinrich, Lehrstuhl für Data Science in der Physik an der TUM. Bei der Bekanntgabe letzte Woche in Schweden wurde der Large Hadron Collider am CERN als Beispiel dafür genannt, wie die Arbeiten der Preisträger seit den 1980er Jahren zur wissenschaftlichen Forschung beigetragen haben. „Es hat unsere Arbeitsweise grundlegend verändert. Früher haben uns unsere eigenen Annahmen dabei limitiert, sinnvolle Erkenntnisse aus den Daten des Large Hadron Colliders zu gewinnen. Jetzt nutzen wir die KI, um selbst die subtilsten Muster und Strukturen in den Daten zu finden, die uns sonst verborgen bleiben würden“, betont Prof. Heinrich.
Prof. Helge Stein (Professur für Digitale Katalyse), stimmt zu, dass der Einfluss der Physik-Nobelpreisträger über die traditionellen Grenzen der Physik hinausgeht und positive Impulse auf die Chemie hat: „Während theoretische Chemiker Methoden des maschinellen Lernens schon viel früher als manche Experimentalisten angewandt haben, ist der Einfluss auf die Materialchemie enorm.“ Er erinnert sich an seine ersten Veröffentlichungen zum maschinellen Lernen im Jahr 2013, als viele Kritiker meinten, dass dies nur ein vorübergehender Trend wäre. Der Nobelpreis 2024 bestätigt den Beitrag des maschinellen Lernens zum Fortschritt in den Naturwissenschaften.
Prof. Patrick Rinke, Inhaber des Lehrstuhls für KI-basierte Materialwissenschaft an der TUM, erklärt, dass der Einfluss von maschinellem Lernen und Deep Learning enorm ist: „Keine andere Entwicklung der jüngeren Zeit hatte vergleichbare Auswirkungen, denn maschinelles Lernen kann in allen Bereichen der Physik und Chemie angewendet werden.“ Rinke fährt fort: „In jeder Teildisziplin hat maschinelles Lernen zu neuen Erkenntnissen geführt, die Geschwindigkeit der Datengenerierung sowie deren Verständnis beschleunigt und Forschung ermöglicht, die in dieser Form zuvor einfach nicht möglich gewesen wäre.“
In seiner eigenen Forschung erlaubt ihm ML, ein viel breiteres Spektrum naturwissenschaftlicher Probleme anzugehen. „Meine frühere Expertise lag in der Simulation von Modellen auf atomarer Ebene. Mit maschinellem Lernen können wir über diese Ebene hinausgehen und Herausforderungen mit gesellschaftlicher Relevanz adressieren, wie etwa die Entwicklung nachhaltiger Materialien, z. B. bei der Entwicklung organischer Elektronik.
Pressemitteilung zum Nobelpreis (auf Englisch)
Finding patterns of information “They trained artificial neural networks using physics” October 08, 2024. https://www.nobelprize.org/prizes/physics/2024/press-release/
Weitere Informationen und Links
- Prof. Lukas Heinrich präsentiert „Wie KI die Quantenwelt entschlüsselt“ in diesem Video vom 20. März 2024 im Deutschen Museum. https://www.youtube.com/watch?v=kMWM87H6TGM.
- Diese enge Verbindung zwischen Physik und KI ist der Hauptgrund für die Schaffung des ORIGINS Data Science Labs innerhalb des ORIGINS-Exzellenz-Clusters, in dem ein engagiertes Team aus Wissenschaftlern unterschiedlichster Bereiche diese Zusammenhänge eingehender untersucht. https://www.origins-cluster.de/.
- Prof. Helge Stein stellt seine Forschung, die experimentelle und computerunterstützte Methoden für die beschleunigte Entdeckung, Charakterisierung und Skalierung neuer und verbesserter Materialien in der Katalyse und der Batterietechnologie entwickelt, in diesem TUM „NewIn“-Video (auf Englisch) vor. https://www.youtube.com/watch?v=Cj_cQiZB7AE.
- Lernen Sie mehr über Forschung der AI4MS-Forschungsgruppe von Prof. Patrick Rinke an der TUM https://www.ph.nat.tum.de/ai4ms/home/ und erfahren Sie dabei mehr über das neugegründete Atomistic Modeling Center des Münchener Data Science Institute: https://www.mdsi.tum.de/en/amc/home/.
- Podcast: „Das Universum im Labor: Wie künstliche Intelligenz (KI) bei der Suche nach Elementarteilchen hilft“: https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/mit-kuenstlicher-intelligenz-kosmischen-geheimnissen-auf-der-spur.
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