Ein multidisziplinäres Forscherkonsortium der Aalto-Universität und der Åbo Akademi in Finnland sowie der Technischen Universität München in Deutschland haben ein flexibles Bioraffineriekonzept entwickelt, um den einzigartigen Synergieeffekt von Lignin-Kohlenhydrat-Komplexen (LCCs), die natürlicherweise in Holz vorkommen, zu nutzen und vollständig biobasierte Antioxidantien, wirksame Tenside und Polymeradditive herzustellen. LCCs sind unverzichtbare Bestandteile der Holzzellwand, die dem Holz seine Festigkeit und Struktur verleihen.
In klassischen Zellstoffherstellungsverfahren werden LCCs zerkleinert, um Zellulose, Hemizellulose und Lignin zu isolieren. Im Rahmen des Konsortialprojekts „AI-4-LCC: Exploiting Lignin-Carbohydrate Complex through Artificial Intelligence“, das vom finnischen Forschungsrat finanziert wird, haben die Teams des verstorbenen Praxisprofessors Dr. Mikhail Balakshin (†2022, Aalto-Universität), Prof. Dr. Patrick Rinke (Aalto-Universität, Technische Universität München) und Prof. Dr. Chunlin Xu (Åbo Akademi) nun ein Verfahren zur Herstellung von LCCs mit maßgeschneiderten Eigenschaften und hoher Ausbeute entwickelt. Das neue Verfahren basiert auf einer modifizierten hydrothermalen Behandlung von Holz, gefolgt von einer Lösungsmittelextraktion der entstehenden Feststoffe, die von Balakshin AquaSolv Omni (AqSO) genannt wurde. Die Eigenschaften der LCCs können durch Abstimmung der Prozessbedingungen genau eingestellt werden. Forscher aus Rinkes Gruppe nutzten dazu Bayesianische Optimierung (eine maschinelle Lernmethode), um iterativ Datenpunkte von Interesse zu sammeln und die Auswirkungen der Prozessbedingungen (P-Faktor, Temperatur und Flüssigkeits-Feststoff-Verhältnis) auf Ertrag und Kohlenhydratgehalt zu bewerten. Durch die Einbeziehung einer Pareto-Front-Analyse konnte das Team sowohl die Ausbeute als auch den Kohlenhydratgehalt maximieren. Um das Potenzial von LCC für hochwertige Anwendungen zu testen, wurden das antioxidative Potenzial, die Oberflächenspannung und die Glasübergangstemperatur in enger Zusammenarbeit mit Experten aus Xus Gruppe von Biomasse-Chemikern gemessen. Die gemeinsame Arbeit wurde kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift ChemSusChem veröffentlicht: „Enhancing Lignin-Carbohydrate Complexes Production and Properties With Machine Learning“.
Doktorandin Daryna Diment erklärt: „Wir haben festgestellt, dass der hohe Kohlenhydratgehalt der LCCs die Glasübergangstemperatur und die Oberflächenspannung wässriger Lösungen senkt, was auf eine mögliche Verwendung in thermoplastischen Formulierungen und als biobasierte Tenside hindeutet. LCCs, die unter extremen Verarbeitungsbedingungen (hohe Temperatur und lange Zeit) hergestellt wurden, zeigten eine bemerkenswerte antioxidative Aktivität.“
Insgesamt stellt die entwickelte Idee einen unvergleichlichen Vorteil gegenüber herkömmlichen Bioraffinerien für die LCC-Isolierung dar, da sie nur Wasser, Temperatur und Aceton-Extraktion erfordert. Darüber hinaus bietet die Bayesianische Optimierung die Flexibilität, LCCs mit den gewünschten Eigenschaften in hoher Ausbeute zu produzieren. Diese Arbeit demonstriert das Potenzial von LCCs als neuartiges Bioraffinerieprodukt und zeigt, wie maschinelles Lernen eingesetzt werden kann, um die Entwicklung neuer Technologien zur Valorisierung lokaler und natürlicher Ressourcen zu beschleunigen.
Publikation
Enhancing Lignin-Carbohydrate Complexes Production and Properties with Machine Learning in ChemSusChem by Diment et al. https://doi.org/10.1002/cssc.20240171
Weitere Informationen und Links
Prof. Patrick Rinkes Lehrstuhl für AI-based Materials Science
Munich Data Science Institute Atomistic Modeling Center
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Originalartikel (in Englisch): https://www.aalto.fi/en/news/a-flexible-biorefinery-using-machine-learning