Julia Stebani und Nina Willnhammer sind Doktorandinnen am Lehrstuhl für Medizinische und Bioanorganische Chemie an der Technischen Universität München bei Prof. Angela Casini. Neben ihrer Forschung engagieren sie sich für die Nachwuchsförderung im Rahmen des Programms der TUM Entdeckerinnen, das sich an Schülerinnen richtet und ihnen einen praxisnahen Einblick in naturwissenschaftliche Forschungsfelder ermöglicht.
Gemeinsam leiteten Julia und Nina ein spannendes Chemieprojekt, das sich auf medizinische und bioanorganische Chemie konzentrierte. Die Teilnehmerinnen experimentierten selbst, entdeckten chemische Reaktionen aus dem Alltag und lernten, wie sich mit einfachen Mitteln neue Stoffe herstellen lassen.
Wir haben mit Julia und Nina über ihre Motivation, ihre Erfahrungen im Projekt und ihre persönlichen Werdegänge in der Wissenschaft gesprochen.
Hallo Julia, Hallo Nina vielen Dank, dass ihr euch Zeit für dieses Interview nehmt! Wie seid ihr auf die TUM Entdeckerinnen aufmerksam geworden?
Nina: Wir wollten im Rahmen unseres SmartDrugs Projekt einige Projekte für die Allgemeinheit durchführen. Wir sind dann recht schnell auf das Projekt der TUM Entdeckerinnen aufmerksam geworden. Über dieses Programm können wir Mädchen einen direkten Kontakt zur Wissenschaft geben und zeigen, was wir so in der Chemie machen.
Julia: Ich habe über Nina über das Programm erfahren und habe mich dann noch mit drangehängt.
Ihr habt ja das erste Mal am Programm der TUM Entdeckerinnen teilgenommen: Was hat euch daran gefallen und würdet ihr wieder daran teilnehmen?
Julia: Ich würde es wieder machen und fand es sehr schön, dass wir den Mädchen hier direkt bei uns im Labor vor Ort die Forschung näherbringen konnten. Dieser direkte und nicht abstrakte Einblick kam bei den Mädchen sehr gut an.
Nina: Auf jeden Fall würde ich auch wieder mitmachen. Was mich begeistert war, dass die Mädchen wirklich sehr interessiert waren. Das lag auch daran, dass die Mädchen sich auch aktiv für ein Projekt entscheiden mussten und unseres ausgewählt haben.
Wie wichtig ist euch die Wissenschaftskommunikation bzw. Kommunikation in der Wissenschaft im Allgemeinen?
Nina: Meiner Meinung macht man weniger Fortschritte in der Wissenschaft, wenn man nicht kommuniziert. Viele Ideen entstehen erst im Austausch mit Anderen.
Julia: Ja ich kann mich da nur anschließen. Mir persönlich fällt auch auf, dass wir in einer „Wissenschaftbubble“ leben und es durchaus anspruchsvoll ist, Freunden oder der Familie zu erklären, was wir eigentlich im Labor machen. Ich finde gerade diese Kommunikation nach außen besonders wichtig.
Nina: Julia hat für unser Projekt im Rahmen der TUM Entdeckerinnen eine Präsentation erstellt, bei der sie sehr genau darauf geachtet hat, Sprache und Bilder so zu wählen, dass sie auch für Laien verständlich sind.
Was macht ihr aktuell in eurer Forschung?
Julia: Nina und ich forschen zu Metallorganischen Käfigkomplexen zum Einschließen von Chemotherapeutika, die wir gezielt zum Krebsgewebe transportieren wollen. Dabei arbeite ich persönlich an Computersimulationen und schaue mir die Wechselwirkungen der Komplexe auf molekularer Ebenen an, z.b. welches Molekül wird besser enkapsuliert.
Nina: Ich arbeite dagegen vor allem im Labor und synthetisiere, funktionalisiere und analysiere diese Käfigmoleküle. Je nach Funktionalisierung erhalten sie unterschiedliche Eigenschaften, zum Beispiel für die Bildgebung.
Wie sieht euer typischer Arbeitstag aus?
Nina: Meist beginne ich mit Literaturrecherche, um aktuelle Entwicklungen zu verfolgen und mögliche Reaktionen zu finden, die sich auf meine Arbeit übertragen lassen. Danach geht es ins Labor: Synthese, Aufreinigung und Analyse der Komplexe. Wenn die Parameter stimmen, teste ich sie im Zelllabor an gesunden und an Krebszellen.
Julia: Auch bei mir steht zunächst Literaturrecherche an. Danach führe ich keine Laborexperimente durch, sondern berechne am Computer molekulare Eigenschaften. Diese Rechnungen sind oft sehr zeitaufwendig. Da ich gerade am Ende meiner Promotion stehe, verbringe ich zusätzlich viel Zeit mit dem Schreiben meiner Dissertation.
Was begeistert euch an eurer Forschung und was sind deine Ziele?
Julia: Mir ist wichtig, dass unsere Forschung einen klaren Anwendungsbezug hat – auch wenn wir teilweise Grundlagenforschung betreiben. Die Zellstudien liefern erste konkrete Ergebnisse, und die Krebsforschung ist generell ein sehr dynamisches, spannendes Feld. Noch bin ich unschlüssig, wie es nach der Promotion weitergeht, könnte mir aber gut einen Postdoc oder den Einstieg in die Industrie vorstellen – idealerweise im Bereich Computational Chemistry.
Nina: Der Anwendungsbezug war auch der Grund, warum ich meine Promotion in der Gruppe von Angela Casini begonnen habe. Eine konkrete Anwendung vor Augen zu haben, macht die Forschung greifbarer. Ich schätze besonders, dass es oft mehrere Wege zum Ziel gibt – das „Knobeln“ an der besten Syntheseroute macht mir Spaß. Auch ich möchte gerne in der Krebsforschung bleiben und könnte mir eine Tätigkeit in der Pharmaindustrie im Bereich Forschung und Entwicklung vorstellen.
Was zeichnet für euch einen guten Wissenschaftler/eine gute Wissenschaftlerin aus?
Nina: Für mich an allererster Stelle die Neugier, Offenheit, kritisches Denken und natürlich auch eine Motivation für wissenschaftliche Fragestellungen.
Julia: Und Kommunikation – sowohl im Austausch unter Kolleginnen und Kollegen als auch in der ehrlichen Rückmeldung, wenn Experimente nicht wie geplant verlaufen.
Würdet ihr das Programm TUM Entdeckerinnen empfehlen?
Julia: Absolut! Es hat großen Spaß gemacht, und wir könnten in Zukunft sicher noch mehr anbieten. Es war toll zu sehen, wie begeistert die Mädchen bei der Laborarbeit waren – das motiviert ungemein.
Nina: Ich finde es auch großartig, dass die Teilnehmerinnen unterschiedliche Forschungsrichtungen kennenlernen und ein Gefühl dafür bekommen, was ihnen liegt. Die Wertschätzung, die wir von ihnen erfahren haben, war sehr motivierend.
Liebe Nina, liebe Julia, vielen Dank für euer Engagement und das Interview!
Weitere Informationen & Links
- Die TUM Entdeckerinnen
- Prof. Angela Casini, Lehrstuhl für Medizinische und Bioanorganische Chemie
- Projekt: SMARTdrugs
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