Forscher der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Pioneer Campus haben eine neue Klasse von DNA-basierten Bausteinen entwickelt, die das Verhalten von Lipiden nachahmen und gleichzeitig die Programmierbarkeit von DNA-Origami erhalten. Die Bausteine, sogenannte Dipids, fügen sich eigenständig zu Kapseln zusammen, deren Durchmesser sich von 100 Nanometern bis über 1 Mikrometer einstellen lassen. Damit sind die größten Kapseln so groß wie manche Bakterien. Dieser Durchbruch eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung biomolekularer Robotersysteme. Zu den Autoren zählen Prof. Friedrich Simmel, Christoph Karfusehr, Doktorand der Max Planck School „Matter to Life“, und ihr Team an der TUM School of Natural Sciences sowie PI Dr. Marion Jasnin und Postdoc Dr. Brice Beinsteiner am Helmholtz Pioneer Campus.
Warum Lipidprinzipien mit DNA-Origami verknüpfen?
Mikroskopische Kapseln sind für viele biologische und synthetische Systeme unverzichtbar. Lipidvesikel werden häufig eingesetzt, weil sie Kapseln in vielen Größen erzeugen können. Sie lassen sich jedoch nur schwer für komplexe Aufgaben wie die biomolekulare Robotik funktionalisieren. Proteinbasierte oder DNA-Kapseln, die sich an Virushüllen orientieren, sind hingegen leicht zu funktionalisieren. Ihre Form und Größe sind jedoch durch die strengen Assemblierungsprinzipien der Virushüllen begrenzt.
Dipids verbinden diese beiden Vorteile. Sie sind inspiriert von der Art und Weise, wie Lipide miteinander interagieren, wodurch sie Flexibilität bei der Kapselgröße und Kapselform bieten, während sie die Programmierbarkeit und Modularität von DNA-Origami beibehalten.
Funktionsweise der Dipids
Dipids sind zylinderförmige, symmetrische DNA-Strukturen mit einem Durchmesser von etwa 30 Nanometern. Durch gezielte Anpassung der Länge und Sequenz von 30 DNA-Strängen auf ihrer Oberfläche können Dipids so programmiert werden, dass sie flache Membranen, hohle Röhren oder geschlossene Kapseln mit definierten Größen bilden. Der modulare Aufbau ermöglicht weiterhin einen einfachen und kostengünstigen Wechsel zwischen verschiedenen Dipid-Varianten, ohne dass die Grundstruktur angepasst werden muss.
Vom ersten Design zu funktionalen Strukturen
Das Team entwickelte 74 Dipid-Designs mit einer Bandbreite an berechneten Durchmessern. Sechs dieser Designs wurden im Labor validiert und bildeten Strukturen mit Durchmessern, die von Virushüllen über die Größe von Bakterien bis hin zu 1,2 Mikrometern reichen. Damit sind sie die größten bisher hergestellten DNA-Origami Kapseln.
Dipid-Membranen sind porös und ermöglichen den selektiven Austausch von Molekülen. Dadurch können Enzyme und Substrate kontinuierlich zugeführt werden, was mit Lipidvesikeln nur schwer erreichbar ist. Das Team zeigte außerdem, dass Dipid-Kapseln leicht funktionalisiert werden können. Dazu integrierte es Module für die RNA-Transkription in die Membranen und kapselte kleinere DNA-Origami Kompartimente ein, die zelluläre Organellen nachahmen. Durch die Anpassung von Form und Bindungspräferenzen der Dipids konnte das Team zudem deren Organisation innerhalb der Membran steuern, ähnlich wie bei der Selbstorganisation von Lipidmembranen.
Ein genauer Blick auf die Dipid-Strukturen
Um Dipid-Strukturen sichtbar zu machen, kooperierte das TUM-Team mit der Cryoskeleton Forschungsgruppe von Jasnin am Helmholtz Pioneer Campus und der Cryo-Electron Microscopy Platform von Helmholtz München. Durch Kryoelektronentomographie konnten Jasnin und Beinsteiner verschiedene Dipid-Membranarchitekturen rekonstruieren, darunter gefaltete Membranen, vollständig geschlossene Kapseln und eine vielfältige Dipid-Anordnung in den kleinsten Strukturen.
Eine Plattform für biomolekulare Robotik
Dipids vereinen strukturelle Programmierbarkeit, einfaches Design und die Einbindung funktionaler Module. Dieses Baukastenprinzip könnte die Entwicklung synthetischer Systeme beschleunigen, die zelluläre Komplexität nachbilden und damit einen wichtigen Schritt in Richtung biomolekulare Robotik ermöglichen.
Publikation
Self-assembled cell-scale containers made from DNA origami membranes. Christoph Karfusehr, Markus Eder, Hao Yuan Yang, Brice Beinsteiner, Marion Jasnin & Friedrich C. Simmel. Nature Materials. https://doi.org/10.1038/s41563-025-02418-0
Weitere Informationen und Links
Prof. Friedrich Simmels lab - Physics of Synthetic Biological Systems https://www.bio.nat.tum.de/en/e14/home/
Dr. Marion Jasnins Cryoskeleton Lab, Helmholtz Pioneer Campus https://www.helmholtz-munich.de/en/research/helmholtz-pioneer-campus/hpc-research/marion-jasnin-lab
Kontakt zu dem Artikel
Prof. Friedrich C. Simmel
Physics of Synthetic Biological Systems
TUM School of Natural Sciences
simmel(at)tum.de
Pressekontakt
communications(at)nat.tum.de
Team website