Eine neuartige Darstellung macht faszinierende Phänomene wie "Überlagerung" und "Verschränkung" verblüffend einfach sichtbar und buchstäblich begreifbar. Im Gegensatz zu allgemeinen Metaphern wie „Schrödinger's Katze“, basiert die BEADS-Darstellung auf einer exakten Zuordnung zwischen Quantenphysik und Kugeln (oder "Perlen", engl: "Beads") mit charakteristischen Färbungen, die Wahrscheinlichkeiten von Messergebnissen widerspiegeln.
Aktuell entwickeln Forschungsgruppen weltweit immer leistungsfähigere Quantencomputer, die nicht auf der Verarbeitung von Bits, sondern von Quantenbits (kurz Qubits) basieren. Dies soll Berechnungen ermöglichen, die weit jenseits der Fähigkeiten konventioneller Computerarchitekturen liegen. Aber wie funktionieren Quantencomputer, und kann dies überhaupt jemandem ohne tiefgehende physikalische Vorkenntnisse erklärt werden? Tatsächlich waren bisher viele Experten der Auffassung, dass es prinzipiell unmöglich ist, Quantenzustände auf anschauliche Weise klar und korrekt darzustellen, d.h. ohne eine hochgradig abstrakte, mathematische Beschreibung zu verwenden (siehe einschlägige Zitate in Infobox 1).
Ein Bit - die kleinste Informationseinheit eines konventionellen Computers - ist einfach eine Zahl, die entweder den Wert „0“ oder den Wert „1“ haben kann, während ein Qubit auch in einem sogenannten Überlagerungszustand von „0“ und „1“ existieren kann. In der mathematischen Standardformulierung der Quantenmechanik wird die Information, die in einer Anzahl von Qubits gespeichert ist, in einem abstrakten Zustandsvektor kodiert, der aus einer Liste komplexer Zahlen besteht.
Was wäre, wenn diese mathematisch kodierte Information ohne Verluste in klare und leicht interpretierbare Bilder oder sogar greifbare Modelle übersetzt werden könnten, die man anfassen und handhaben kann? Ein Artikel von Prof. Steffen Glaser und seinem Kollegen Dr. Dennis Huber in der aktuellen Ausgabe des New Journal of Physics zeigt eindrucksvoll, dass dies tatsächlich möglich ist. Die Forscher haben eine exakte Abbildung entwickelt, die eine beliebige Anzahl von Qubits einer gleich großen Anzahl von speziellen rot-grün gefärbten Kugeln zuordnet, die als Quantenperlen (engl.: Quantum-Beads oder kurz Q-Beads) bezeichnet werden. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Quantenzustand von drei Qubits mit Hilfe von drei entsprechenden Q-Beads dargestellt werden kann. Allerdings ist der weitaus größte Teil der in einem Quantencomputer speicherbaren Information nicht auf den einzelnen Qubits lokalisiert, sondern steckt in der Verschränkung zwischen den Qubits. Wie die Münchner Forscher zeigen konnten, kann auch die in der Verschränkung kodierte Information vollständig und eindeutig auf einen zusätzlichen Satz von gelb-blau gefärbten Kugeln abgebildet werden, die als Verschränkungsperlen (engl.: Entanglement-Beads oder kurz E-Beads) bezeichnet werden. Jedes E-Bead verknüpft zwei oder mehr Q-Beads, so dass auch die Stärke und Art der Verschränkung zwischen den einzelnen Qubits sichtbar wird und die Gesamtheit der Q-Beads und E-Beads bildet die sogenannte BEADS-Darstellung.
Die charakteristischen Farbmuster der Q-Beads und E-Beads sind nicht nur einprägsam, sondern erlauben auch die genaue Vorhersage der Wahrscheinlichkeit von möglichen Messergebnissen. Darüber hinaus entsprechen alle einzelnen Verarbeitungsschritte eines Quantencomputers entweder einfachen Drehungenoder anderen leicht visualisierbaren Transformationen der Q-Beads und E-Beads. Insgesamt ermöglichen es die BEADS-Darstellung die bisher rein abstrakte Beschreibung von Quanten-Informationsverarbeitung als eine Art Spiel mit einer überschaubaren Zahl von Spielregeln zu verstehen, mit den Q-Beads und E-Beads als Spielsteinen. Dieses "Quantenperlenspiel" kann nun genutzt werden, um Quanten-Informationsverarbeitung auf spielerische Weise zu veranschaulichen und zu erforschen.
Das Quantenperlenspiel ermöglicht es auch, beispielsweise die einzelnen Schritte des Standardverfahrens zur Erzeugung von Verschränkung zwischen Qubits nachzuspielen, ähnlich wie ein Schachschüler die Partie eines Großmeisters analysiert, indem er sie Zug für Zug nachspielt. Huber und Glaser haben auch eine kostenlose interaktive App (QuBeads) entwickeln, mit der sich beliebige Standard-Quantenprotokolle, wie Teleportation, oder auch selbst entwickelte Quantenalgorithmen leicht simulieren und visualisieren lassen. Der Gewinn an Klarheit, Übersicht und Verständnis gegenüber einer rein abstrakten Analyse eines Quantenprotokolls ist frappierend: "Es ist, als würde jemand das Licht anschalten und die im abstrakten mathematischen Formalismus verborgenen Informationen und Verarbeitungsschritte sichtbar machen", sagt Prof. Glaser. Die BEADS-Darstellung hat großes Anwendungspotenzial in vielen Bereichen, von der Ausbildung an Schulen und Universitäten bis zur Forschung, wo diese Visualisierung neue Perspektiven auf die Quanten-Informationsverarbeitung liefert.
INFOBOX 1: Einschlägige Zitate zur "Unmöglichkeit" einer anschaulichen Bildersprache für die Quantenphysik
Beispielsweise betonte der Physiker Jürgen Audretsch 2008 in seinem Buch Die sonderbare Welt der Quanten, dass das Verlangen von physikalischen Laien nach Anschaulichkeit "leider prinzipiell nicht erfüllbar" sei: „Was das Verstehen der Quantentheorie so erschwert, ist ihre Bilderarmut. Es gibt in ihrem Rahmen keine durch einprägsame Bilder und Metaphern hervorgerufene Intuition, sondern nur die Macht der mathematischen Formulierung.“ Bereits 80 Jahre zuvor fand die Redaktion der Zeitschrift es 1928 angebracht, einen Artikel von Niels Bohr mit dem folgenden Kommentar einzuleiten: „Es muss zugegeben werden, dass die neue Quantenmechanik weit davon entfernt ist, die Anforderungen des Laien zu erfüllen, der seine Vorstellungen in bildliche Sprache kleiden möchte. Tatsächlich vertreten ihre Urheber wahrscheinlich die Ansicht, dass eine solche symbolische Darstellung von Natur aus unmöglich ist. Es ist ernsthaft zu hoffen, dass dies nicht ihr letztes Wort zu diesem Thema ist und dass es ihnen noch gelingen wird, das Quantenpostulat in bildhafter Form auszudrücken."
INFOBOX 2: Das kleine Quantenerklärheft
Das kleine Quantenerklärheft illustriert, wie die BEADS-Darstellung genutzt werden kann, um eine einfache und zugleich akkurate Einführung in die Welt der Qubits zu geben. Die Broschüre wurde in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster „Munich Center for Quantum Science and Technology” (MCQST) entwickelt und stellt grundlegende quantenmechanische Konzepte wie Superposition, Verschränkung und Messungen vor, siehe Link www.mcqst.de/quantenheft .
Publikation
Dennis Huber und Steffen J. Glaser, BEADS: a canonical visualization of quantum states for applications in quantum information processing, New Journal of Physics 27, 094509 (2025).
Kontakt zum Artikel
Prof. Dr. Steffen Glaser
TUM School of Natural Sciences
Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST),
Munich Quantum Valley (MQV),
Bayerisches NMR Zentrum (BNMRZ)
Email: glaser(at)tum.de
Originalartikel: https://www.mcqst.de/news-and-events/news/the-quantum-bead-game.html und https://www.mcqst.de/MCQST-MEDIA/downloads/BEADS_Pressemitteilung_deutsch.pdf