Der Duffing-Oszillator, benannt nach dem deutschen Ingenieur Georg Duffing, ist ein einfaches, aber prototypisches Modellsystem der nichtlinearen Physik. Bereits 1976 stellten Landau und Lifshitz in ihrem berühmten Lehrbuch über Theoretische Physik [1] fest, dass ein bemerkenswertes Merkmal des Duffing-Oszillators das Vorhandensein eines Doppelmuldenpotentials ist, das bei derselben Parametereinstellung zu zwei stationären Lösungen führt. Dadurch entsteht ein hysteretisches Verhalten der Schwingungsamplitude in Abhängigkeit von der Antriebsstärke. Je nachdem, ob man bei Erhöhen oder Verringern der Antriebsstärke in den Hysteresebereich gerät, nimmt der Duffing-Oszillator bei gleicher Ansteuerung zwei unterschiedliche Schwingungsamplituden an. Diese Bistabilität des Duffing-Oszillators wurde ausführlich mit verschiedenen experimentellen Plattformen untersucht. Bahnbrechende Experimente zur optischen Bistabilität [2] wurden beispielsweise von Gerhard Rempe et al. durchgeführt [2]. Ein rätselhaftes Merkmal, mit dem sich Drummond und Walls bereits in den 1980er Jahren befasst haben [3] und das die Physiker seitdem beschäftigt, ist die Tatsache, dass, im Gegensatz zur klassischen Beschreibung, eine vollständig quantenmechanische Behandlung des Duffing-Oszillators nur ein einzige stationäre Lösung und daher keine Bistabilität vorhersagt [3].
Wie jetzt Nature Communications berichtet, ist es einem Team des Walther-Meißner-Instituts (WMI) unter der Leitung von Prof. Gross gelungen, die Diskrepanz aufzuklären. Sie verwendeten abstimmbare, nichtlineare, supraleitende Resonatoren, um die Nichtgleichgewichtsdynamik des Duffing-Oszillators zu simulieren. Insbesondere gelang es ihnen, sowohl die klassische als auch die Quantenbeschreibung in einem einheitlichen Bild der Quantenmetastabilität in Einklang zu bringen. Sie zeigen, dass es sich bei den beiden klassisch betrachteten stationären Zuständen tatsächlich um metastabile Zustände handelt. Diese Zustände sind Näherungslösungen der Schrödinger-Gleichung mit einer bemerkenswert langen Lebensdauer, sollten aber schließlich in den von der Quantenmechanik vorhergesagten stationären Zustand übergehen. Durch Konstruktion der Lebensdauer der metastabilen Zustände, konnten sie erfolgreich einen dissipativen Phasenübergang erster Ordnung beobachten, der dem erstaunlichen Verhalten des Duffing-Oszillator zugrunde liegt. Sie führten auch eine Quantenzustandstomographie durch, die es ihnen ermöglichte, das mikroskopische Bild des Phasenübergangs zu zeigen.
Konstruierte Festkörper-Quantensysteme haben ein enormes Potenzial
Die in Nature Communications vorgestellte Arbeit ist ein schönes Beispiel dafür, wie konstruierte Quantensysteme zur Lösung interessanter physikalischer Fragen eingesetzt werden können. „Generell haben solche gut kontrollierten, konstruierten Festkörper-Quantenschaltkreise ein großes Potenzial sowohl für die Erforschung wichtiger Fragen der Grundlagenwissenschaften als auch für die Realisierung von Anwendungen in der Quantentechnologie“, sagt Rudolf Gross, wissenschaftlicher Direktor am WMI, Professor an der TUM und Sprecher des Exzellenzclusters Excellence Cluster MCQST. Sein Team plant beispielsweise, mehrere supraleitende Duffing-Oszillatoren zu komplexeren Systemen zu koppeln, um Simulationen stark korrelierter bosonischer Systeme durchzuführen. Die allgemeine Vision besteht darin, in situ abstimmbare supraleitende Quantenschaltkreise als vielseitige Plattform zur Simulation und zum Verständnis komplexer Probleme in der Physik der kondensierten Materie zu nutzen.
[1] L. D. Landau and E. M. Lifshitz. Mechanics, volume 1 of Course of Theoretical Physics Series. Butterworth-Heinemann, 3rd edition, 1976.
[2] G. Rempe, R. J. Thompson, R. J. Brecha, W. D. Lee, and H. J. Kimble. Optical bistability and photon statistics in cavity quantum electrodynamics. Phys. Rev. Lett. 67, 1727–1730 (1991).
[3] P. D. Drummond and D. F. Walls. Quantum theory of optical bistability. I. nonlinear polarisability model. J. Phys. A: Math. Gen., 13(2): 725–741 (1980).
Acknowledgements
Diese Arbeit wird gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die Exzellenzstrategie der Bundesrepublik Deutschland (EXC-2111-390814868), vom EU Projekt Quantenkommunikation und Quantensensorik mit Mikrowellen QMiCS (Nr. 820505) sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Projekt QuaRaTe ( Nr. 13N15380). Diese Forschung ist auch Teil des Munich Quantum Valley, das von der Bayerischen Staatsregierung mit Mitteln der Hightech Agenda Bayern Plus gefördert wird.
Publikation
Quantum behavior of the Duffing oscillator at the dissipative phase transition
Q. Chen, M. Fischer, Y. Nojiri, M. Renger, E. Xie, M. Partanen, S. Pogorzalek, K. G. Fedorov, A. Marx, F. Deppe, R. Gross; Nature Communications 14, 2896 (2023)
DOI: 10.1038/s41467-023-38217-x
Links:
· Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST): https://www.mcqst.de
· Munich Quantum Valley: https://www.munich-quantum-valley.de/
· EU Projekt Quantenkommunikation und Quantensensorik mit Mikrowellen QMiCS: https://qmics.wmi.badw.de
· WMI: https://www.wmi.badw.de
· BAdW: https://badw.de
Kontakt:
Prof. Dr. Rudolf Gross
School of Natural Sciences, Technische Universität München, und
Walther-Meißner-Institut, Bayerische Akademie der Wissenschaften
Walther-Meißner-Str. 8, 85748 Garching, Deutschland
Telefon: +49 89 289 14249, E-Mail: Rudolf.Gross(at)wmi.badw.de