Was fasziniert Sie am Fach Physik?
Es ist das analytische Denken, das mich fasziniert. Es ist spannend zu versuchen, die Natur zu verstehen, von ihr zu lernen und zu überlegen, ob man die gewonnene Erkenntnis für neue Anwendungen verwenden kann.
Inwiefern gilt das für die Quantenmechanik?
In das Gebiet der Quantentechnologien wird weltweit extrem viel Geld investiert. Und zwar deshalb, weil man davon ausgeht, dass man etwa mit Quantencomputern Aufgaben lösen kann, die mit klassischen Methoden nicht lösbar sind – weil es einfach zu lange dauern würde. Aber das Problem ist, dass die Quantensysteme nicht perfekt sind, sondern fehlerhaft und von der Skalierung her noch relativ klein. Und hier ist noch sehr viel Arbeit nötig, um die Systeme zu verbessern und auch um zu erforschen, wie man die derzeitigen und zukünftigen Systeme effizient verwenden kann.
Welche Ansätze verfolgen Sie dabei?
In der Forschung verfolgen meine Arbeitsgruppe und ich zwei Hauptziele. Das erste ist, die Quantensysteme über das Phänomen der Verschränkung zu erschließen. Die Verschränkung ist im Quanten-Computing oder der Vielteilchenphysik sehr zentral. Wir wollen mithilfe dieses Phänomens besser verstehen, wie wir Quantensysteme effizient verwenden und beschreiben können. Verschränkung ist eine Eigenschaft, die nur quantenmechanischen Systeme besitzen. Daher ist es auch so schwer, sie zu erklären, da sie in klassischen Systemen nicht auftritt und wir sie in unserem Alltag nicht erfahren.
Könnten Sie trotzdem eine Erklärung versuchen?
Stellen Sie sich vor, ich habe zwei Würfel. Ich stecke beide Würfel jeweils in eine Schachtel. Eine Schachtel erhalten Sie, die andere behalte ich. Wenn ich jetzt die Schachtel schüttle und dann öffne, dann sehe ich zum Beispiel, dass der Würfel die Augenzahl Eins zeigt. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei einem Sechstel. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Ihr Würfel ebenfalls die Eins oder jede andere Augenzahl zeigt, liegt auch bei einem Sechstel. Sind die Würfel aber miteinander verschränkt, ist das anders. Wenn mit einem Würfel etwas geschieht, hat das Auswirkungen auf den anderen Würfel. Wenn mein Würfel, der verschränkt mit ihrem ist, die Augenzahl Eins zeigt, kann ich sicher sein, dass bei Ihrem Würfel auch die Eins oben liegt. Diese zentrale Eigenschaft in der Quantenphysik führt auch zu ganz konkreten Anwendungen. Wie zum Beispiel die der Quantenteleportation. Für diese und andere Anwendungen der Quantenmechanik hat Anton Zeilinger 2022 den Nobelpreis erhalten. Bei der Quantenteleportation verwendet man Verschränkung, um Informationen von einem Ort zum anderen zu übermitteln. Wenn man jetzt mehrere Systeme hat, dann werden diese Verschränkungseigenschaften entsprechend komplizierter.
Was ist das zweite Ziel, das Sie verfolgen?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verifizierung von Quantensystemen. Es ist natürlich nur bedingt sinnvoll, ein System zu nutzen, das zwar sehr viel kann, aber von dem Sie nicht wissen, ob seine Ergebnisse korrekt sind. Daher müssen wir Methoden entwickeln, um das zum Beispiel bei einem Quantencomputer prüfen zu können. Meine Forschungsgruppe arbeitet unter anderem daran, neue, realisierbare Anwendungen innerhalb der Quanteninformationsverarbeitung zu identifizieren, und auch an der Verifizierung der Quantenprozessoren.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Quanten-Informationstheorie?
Die Quanten-Informationstheorie vereint die Quantenphysik mit klassischer Informationstheorie. Klassische Information ist ein Bit, also etwas, was 0 oder 1 sein kann, wie ein Lichtschalter, der entweder an oder aus ist. In der klassischen Informationstheorie beschreibt man alles mit diesen Bits. Quantenmechanisch hat man aber nicht nur die Möglichkeiten 0 oder 1, sondern jede mögliche Überlagerung von diesen Zuständen. Das heißt, der quantenmechanische Lichtschalter kann gleichzeitig an und aus sein. Schrödingers Katze verdeutlicht dieses sogenannte Superpositionsprinzip. Sie ist gleichzeitig tot und lebendig. Wenn Sie das Superpositionsprinzip auf mehrere Teilchen anwenden, dann bekommen Sie die Verschränkungseigenschaften. Diese Eigenschaften untersuchen wir unter anderem in der Quanteninformationstheorie.
Denken Sie, dass Quantencomputer künftig in jedem Haushalt stehen werden?
Wir bewegen uns auf ganz neuem Terrain, es gibt so viele Möglichkeiten. Ich denke, die zentrale Rolle eines Quantencomputers wird es nicht sein unsere derzeitigen Computer zu ersetzen, um damit jeder und jedem zu ermöglichen sehr komplexe Aufgaben zu lösen. Quantencomputer werden meiner Meinung nach das zentrale Element sein, das es uns ermöglichen wird, Quantensysteme viel besser zu verstehen und damit auch zu Anwendungen führen, die jetzt noch niemand auf dem Radar hat.
- Zur Person: Barbara Kraus studierte Mathematik und Physik an der Universität Innsbruck. Sie promovierte 2003 am dortigen Institut für Theoretische Physik, nach Stationen am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und an der Universität Genf lehrte und forschte sie ab 2010 als Professorin an der Universität Innsbruck. Seit Januar 2023 leitet sie den Lehrstuhl für Quantenalgorithmen und -anwendungen an der TUM School of Natural Science der TUM. Prof. Kraus ist außerdem Mitglied im Exzellenzcluster MCQST.
- Der Exzellenzcluster MCQST (Munich Center for Quantum Science and Technology) erforscht die wissenschaftlichen Grundlagen von komplexen Quantensystemen und schafft die technologische Basis für die Quantentechnologie, eine zentrale Zukunftstechnologie des 21. Jahrhunderts. Die Forschenden adressieren wichtige Anwendungsfelder, die von Quantencomputern, über leistungsfähige Quanteninformationssysteme und Quantensensoren bis zu neuartigen Quantenmaterialien reichen.