Mit welchen Themen beschäftigen Sie und Ihre Forschungsgruppe sich?
Wir erforschen Funktionsmaterialien, insbesondere im Energiebereich, und konzentrieren uns auf Batterien und Thermoelektrika – letztere können Wärme in Strom umwandeln – aber vor allem befassen wir uns mit Solarzellen. Letztere begeistern mich schon lange, vor allem die Weiterentwicklung von organischen Solarzellen, Perowskit- und Quantenpunkt-Solarzellen. Für diese neuen Arten sehe ich in Zukunft ein großes Potenzial und auch ein breites Anwendungsspektrum.
Warum können Silizium-Solarzellen denn diesbezüglich nicht mithalten?
Oft wird missverstanden, dass es nicht darum geht, die klassischen Solarzellen – wie viele sie auf dem Hausdach haben – zu ersetzen. Uns ist vielmehr daran gelegen, weitere Anwendungen für Solarzellen zu erschließen, die die starren Silizium-Module eben nicht zulassen. Diese neuen Devices können beispielsweise semitransparent sein, sodass Fenster damit ausgestattet werden können. So bekommen Glasfassaden eine weitere Funktion, indem sie Strom produzieren und so Hochhäuser energieautark gestalten könnten. Zudem punkten die neuen Solarzell-Typen mit einer hohen Flexibilität und geringem Gewicht, was sie wiederum als photoaktive Fasern für Kleidung oder photoaktive Lacke für Autos interessant macht. Für die Ernte von Sonnenenergie bieten sich noch so viele Möglichkeiten. Wir nutzen bislang nur einen Bruchteil.
Wie steht es um die Lichtausbeute der neuen Solarzell-Typen verglichen mit denen auf Silizium-Basis?
Silizium-Solarzellen braucht blauen Himmel und volles Sonnenlicht. Ist es wolkenverhangenen, liefert sie keinen Strom. Die neuen Typen können dies kompensieren, weil sie gerade bei geringerer Lichtintensität noch sehr gut funktionieren. Zudem absorbieren sie die Sonnenergie aufgrund ihrer halbleitenden Eigenschaften sogar besser als Silizium. Oftmals reichen bei diesen Hightech-Materialien sehr dünnen Schichten von nur 100 Nanometer aus.
Eine geringere Schichtdicke ist natürlich ökonomisch interessant. Können die neuen Energiematerialien denn bezüglich ihrer Herstellprozesse wirtschaftlich mithalten?
Sie haben in der Tat das Potenzial richtig günstig zu werden. Deswegen arbeiten wir mit unserer Forschung auch daran, dass sie künftig in die breite Anwendung kommen. Die Materialien, die man für organische Solarzellen, Perowskit- und Quantenpunkt-Solarzellen braucht, lassen sich durch nasschemische Prozesse herstellen. Oftmals sind die Ausgangsstoffe dafür in großen Mengen vorhanden und kostengünstig. Zudem benötigt man geringere Substanzmengen und bei der Verarbeitung sind in der Regel keine aufwendigen Reinräume nötig. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Materialien schichtweise auf Trägersubstanzen aufdrucken lassen. Das macht die neuen Solarzellen für die industrielle Produktion sehr interessant.
Ist das Drucken von Solarzellen vergleichbar mit dem Bedrucken von Papier?
Teilweise ja. Die grundlegenden Drucktechniken wie Tintenstrahl- und Siebdruck lassen sich auch bei Solarzellen einsetzen. Besonders das Rolle-zu-Rolle-Druckverfahren ist interessant, weil damit sehr große Flächen in sehr kurzer Zeit gedruckt werden können. Man braucht allerdings photovoltaische Tinten und der Druckprozess an sich ist aus physikalischer Sicht sehr komplex. Das schauen ich mir mit meinem Team im Detail an. Die aktiven Schichten bestehen aus komplexen Strukturen, die sich durch Selbstorganisation der molekularen Bausteine aufbauen. Es braucht die optimale Nano-Architektur, damit Ladungsträger effizient erzeugt, getrennt und transportiert werden können. Genau hier setzen wir mit unserer Forschung an: Wir bauen die Solarzellen selbst zusammen und beobachten sozusagen live mithilfe von speziellen Streuexperimenten, wie sich die Schichten und Strukturen während des Druckprozesses bilden. Dadurch können wir wiederum Rückschlüsse ziehen, wie verschiedene Komponenten, Additive oder Lösungsmittel die Filmbildung und Selbstorganisation beeinflussen. Und natürlich messen wir auch die Strukturen an sich und die Performance der fertigen Solarzelle.
Können organische Solarzellen oder Perowskit-Solarzellen denn in Sachen Effizienz und Lebenszeit mithalten?
Absolut. Dafür braucht man nur einen Blick in das unter Energieforschern bekannte Diagramm vom National Renewable Energy Laboratory werfen: Die Perowskit- haben die Silizium-Solarzellen hinsichtlich ihrer Zelleffizienz beispielsweise fast eingeholt, die organischen Solarzellen stehen auf dem Sprung zu 20 Prozent. Ein Schwachpunkt der neuen Solarzell-Typen ist noch die relativ kurze Lebenszeit. Deswegen wollen wir mit unserer Forschung den Alterungsprozess besser verstehen und herausfinden, warum die Materialien mit der Zeit instabil werden – und das auf molekularer Ebene. Oftmals sind es leider die rekordverdächtigen Solarzellen, die nicht so lange halten. Deswegen sind unsere Erkenntnisse zu hilfreich, wenn es darum geht, ein stabileres Moleküldesign zu entwerfen oder den Filmbildungsprozess zu verbessern. Da spielen Temperaturprofile, Trocknungszeiten und die Auswahl der Lösungsmittel eine entscheidende Rolle.
Gibt es weitere Aspekte, die für Sie eine Rolle spielen?
Wir versuchen zudem, umweltfreundlichere Komponenten für den Herstellungsprozess der Solarzellen zu etablieren, also zum Beispiel „grüne Lösungsmittel“. Das bringt zwar eigene Herausforderungen mit sich, weil sich dann Oberflächenspannungen und Verdampfungsraten verändern. Aber wir haben es bereits geschafft, andere Prozessparameter so daran anzupassen, dass auch umweltverträglichere Lösungsmittel funktionieren. Das ist für die industrielle Produktion ein ausschlaggebender Aspekt. Was für mich und mein Team wichtig ist und was uns anspornt: Wir haben ein Ziel – die breite Anwendung von Solarzellen. Verglichen mit dem Bergsteigen ist es der Gipfel, den wir erreichen möchten. Niemand würde zehn Meter davor abbrechen und sagen: Die letzten zehn Meter können doch andere gehen. Wir haben bewusst die ganze Wertschöpfungskette im Blick.
Dass Ihnen die finalen Schritte und der Gesamtkontext der Forschung am Herzen liegt, wird auch an Ihrem übergeordneten Engagement deutlich. Wie sind Sie beim Thema Energie vernetzt?
Bereits vor mehr als zehn Jahren habe ich das TUM Solar-Keylab für die solare Energieforschung gegründet, welches ich auch leite. Es ist in dem sogenannten Soltech-Verbund integriert, das vier weitere Keylabs an der LMU München sowie den Universitäten in Erlangen, Würzburg und Bayreuth beinhaltet. Der gute Gedanke dabei ist, dass man nicht in Konkurrenz, sondern in Zusammenarbeit forscht. In der bereits dritten Förderperiode liegt der Schwerpunk jetzt bei der solaren Wasserspaltung. Zudem bin ich im Renewable Energy Network (NRG) im Munich Institute of Integrated Materials, Energy and Process Engineering (MEP) der TU München sehr engagiert. Hier kommen Experten aus einem viel größeren Kontext zusammen – Ingenieure, Architekten oder Elektrotechniker. Diese interdisziplinären Treffen erweitern den Blick enorm. Das ist gerade auch für Nachwuchsforschende inspirierend und bietet spannende Anknüpfungspunkte für gemeinsame Projekte. Noch etwas größer wird der Kreis im Sustainability Board der TU München, in dem ich die Naturwissenschaften und Energieaspekte vertrete. Hier sind beispielsweise auch Mediziner, Sozial- und Politikwissenschaftler engagiert und das Spektrum an Fragestellungen und Projekten noch etwas weiter gefasst. Die nachhaltige Umgestaltung unserer Gesellschaft muss ganzheitlich gedacht werden.
Zurück zur Solarzelle: Wo sehen sie die Perowskit-, organische und Quantenpunkt-Solarzellen in Zukunft?
Letztere sind so etwas wie die „Rising Stars“. Quantenpunkte sind eine neue Klasse von fluoreszierenden Nanokristallen, mit denen sich sehr brillante Farben effizient erzeugen lassen. Über die Partikelgröße werden die Absorptionseigenschaften in einzigartiger Weise eingestellt und nahezu der gesamte Spektralbereich ist zugänglich. Wir haben sie beispielsweise mit triboelektrischen Komponenten, diese verwandeln Bewegungsenergie in elektrische Energie, kombiniert. Die Idee ist, dass die Solarzelle tagsüber die Sonnenenergie erntet und nachts die Windkraft genutzt werden kann, wenn sich das Bauteil beispielsweise durch Wind verbiegt. So ließen sich zwei Energiegewinnungsmodi miteinander verbinden. Wie schon eingangs angedeutet, könnte die Sonne jeden Haushalt energieautark machen, wenn wir sie überall einfangen: Fenster ließen sich als Solarzellen auslegen, photovoltaische Wandanstriche oder Indoor-Photovoltaik wird in Zukunft möglich sein, ebenso wie photovoltaische Kleidung. Aber alle diese Anwendungen brauchen neuen Materialien, an denen wir mit Hochdruck für die Anwendung forschen.
Originalartikel: https://www.e-conversion.de/de/solarzellen-mueller-buschbaum/
Kontakt
Prof. Dr. Peter Müller-Buschbaum
Lehrstuhl für Funktionelle Materialien
Physik-Department
Technische Universität München
James-Franck-Str. 1
85748 Garching
E-mail: muellerb(at)ph.tum.de